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Kinder brauchen Chancen – Ein Interview mit Isabelle von Blomberg

Sie haben erreicht, dass Ihr Projekt DAIDALOS an der Bernays-Hauptschule am Harthof eine Förderung des Bundesgesundheitsministeriums bekommt. Vor allem als Kinderärztin der Gesundheitsberatungsstelle vor Ort haben Sie reichlich Erfahrung im Umgang mit Kindern und deren Eltern. Was war Ihre zentrale Idee für dieses Projekt?

Isabelle von Blomberg: Ich bin jetzt seit zwei Jahren an der Bernays-Schule als Schulärztin tätig und habe erfahren, wie deutlich die Unterschiede zu anderen Stadtteilen sind, was Übergewicht, Fehlernährung, Bewegungsmangel und auch die Beweglichkeit der Kinder angeht. Durch die KiGGS-Studie (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) wissen wir, dass Übergewicht bei Kindern gehäuft bei Migrantenfamilien und bei sozial schwachen Familien vorkommt. Bei einigen Kindern in höheren Jahrgängen sieht man bereits erhebliche gesundheitliche Veränderungen. Das ist mehr als Grund genug, dass wir hier präventiv in die Förderung einsteigen und nicht erst, wenn Erkrankungen sichtbar werden.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung hier bei den Kindern und ihren Eltern?

Isabelle von Blomberg: Man sieht hier, dass Kinder aus schwächeren sozialen Schichten einen enormen Mangel an Selbstbewusstsein, Respekt und Selbstwertgefühl haben. Sie haben bereits verhärtete Strukturen und Mechanismen entwickelt, sich abzugrenzen. Auch gegen Dinge, die sie stützen könnten. Es gibt den Begriff der „angeborenen Armut'. Und das ist nicht notwendigerweise nur eine materielle Armut, sondern geht oft mit einer psychischen Verarmung einher. Dem wollen wir durch unseren ganzheitlichen Ansatz begegnen. Die Kinder sollen durch Lebenskompetenztraining, von Condrobs e.V. eingebracht, in ihrem Selbstwertgefühl unterstützt werden.

Stichwort Abgrenzung und psychische Armut. Wir erreichen Sie die Kinder der Schule und ihre Familien?

Isabelle von Blomberg: DAIDALOS will über das Setting Schule als dem hauptsächlichen Lebensraum der Kinder in ihrer Welt ansetzen, aber auch einen großen Schwerpunkt in die Elternarbeit legen. Wir wollen die Eltern in das Leben ihrer Kinder an der Schule durch positive Erlebnisse mehr einbinden. Dies geschieht durch Ausflüge an Wochenenden und in den Ferien, die wir mit den Erlebnispädagogen der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München organisieren, zum Beispiel Rudern auf der Isar, ein Wochenende in den Bergen oder auch eine Gesundheitsrallye durch den Stadtteil. Natürlich ist der Bildungsansatz der Eltern auch ein ganz wichtiger Aspekt von DAIDALOS. Wir haben uns verschiedene Programme ausgedacht, die wir den Eltern - vorwiegend den Müttern - anbieten, wie etwa Kochen, Einkaufstrainings, Multiplikatorenschulungen und dergleichen. Da werden wir darauf achten, dass es Spaß machen kann, sich mit gesunder und ausgewogener Ernährung zu beschäftigen. Es geht uns dabei sehr um den lustbetonten Aspekt und nicht um den erhobenen Zeigefinger.

Was wünschen Sie sich für Ihr Projekt, das vielleicht als Vorreiter bayern- oder auch bundesweit wegweisend sein könnte, welches Anliegen haben Sie an Ihr Projekt, wo sehen Sie Ihre Arbeit in einigen Jahren?

Isabelle von Blomberg: Dankenswerterweise haben wir jetzt die Förderung des Projektes DAIDALOS für zwei Jahre bekommen. Es ist natürlich ein großes Ziel, dass die Schwerpunkte Bewegung und gesunde Ernährung sowie eine intensive Arbeit im Bereich Entspannung und Lebenskompetenz nachhaltig bleiben. Dazu gibt es schon verschiedene langfristige Pläne. Eine weiterführende Arbeit von Condrobs e.V. an der Schule (Inside @ School) nach Projektende ist geplant. Auch gibt es bereits Gespräche zur Planung der Neugestaltung des Pausenhofes. Es gibt Lehrerfortbildungen zur „Bewegten Schule“; diese sollen möglichst allen Lehrern zugängig sein und Bewegung in den Schulalltag integrieren. Wenn sich das bewährt, dann wird das aus dem Schulalltag nicht mehr wegzudenken sein und seine positive Wirkung an den Kindern zeigen.
 In vielen Arbeiten hat sich gezeigt, das die Erhöhung der Bewegung im Alltag langfristig positiven Einfluss auf Gewicht und Beweglichkeit hat und damit auf Gesundheit und Lebensqualität. Ich denke, wir haben eine Chance, die Lebensgewohnheiten langsam über zwei Jahre so zu ändern, dass das Gesundheitsprojekt DAIDALOS ein Modell auch für andere Schulen in sozialen Brennpunkten sein kann. Der Schlüssel dazu ist die Vernetzung.
 

Was war der Ausgangspunkt oder die ursprüngliche Motivation für das Projekt aus Ihrer persönlichen Sicht?

Isabelle von Blomberg: Anfangs konzentrierten wir uns auf die übergewichtigen Kinder. Das war der erste Kontakt, den Frau Streber und ich hatten. Wir wollten erreichen, dass die adipösen Kinder zu Beratungen und Therapien kommen können, und dies muss wohnortnah geschehen, im Münchner Norden, zum Beispiel im Hasenbergl. Bekanntermaßen gibt es dort eine große Hemmschwelle, sich in therapeutische Einrichtungen zu begeben. Was liegt da näher, als die vertraute Schulumgebung zu nutzen?
 DAIDALOS ist nicht ursprünglich als „therapeutisches Projekt“ gedacht. Aber wir haben uns entschieden, den übergewichtigen Kindern an der Bernays-Hauptschule ein KinderLeicht Programm anzubieten. Ab September 2009 wird dies für Freiwillige beginnen. Dazu kann man niemanden zwingen oder verpflichten. Der Anteil der übergewichtigen Kinder ist in der Eingangsuntersuchung mit fast 30 Prozent sehr hoch.
 

Haben Sie dafür eine Erklärung? Liegt das am Bewegungsmangel oder auch an der Ernährung?

Isabelle von Blomberg: Das liegt natürlich an beidem. Das kann man gar nicht voneinander trennen. Viele der Familien hier leben am Existenzminimum, da müssen viele Familienmitglieder mit einem geringen Budget satt bekommen werden. Das bedeutet in der Regel eine stark kohlenhydrat- und fettreiche Ernährung. Unser Ziel ist es, den Kindern auf jeden Fall in der Schule eine gesunde und ausgewogene Ernährung zukommen zu lassen.

Wie läuft denn so ein Frühstück in der Schule ab?

Isabelle von Blomberg: Das Frühstück wird in der Schule für die Kinder hergerichtet. Es kommen momentan zwischen 60 und 70 Schüler. Die frühstücken seit November 2008 zweimal wöchentlich gemeinsam. Am Anfang haben sie das Essen in die Klassen getragen, da es noch keine Mensa gab. Heute gibt es ein Art Buffet. Jetzt kann man zwischen Müsli, Käse- und Marmeladebrot oder Obst wählen. Es werden ausschließlich Bionahrungsmittel angeboten. Ein Mittagessen wird es ab dem Schuljahr 2009/2010 geben.

Welche Erfolge haben Sie da schon erzielt? Wie nehmen die Schüler das an?

Isabelle von Blomberg: Ich würde noch nicht von Erfolgen sprechen. Wir sind jetzt gerade in der Phase, das Projekt in der Schule zu platzieren. Das Frühstück ist für die Kinder die erste Veränderung und wird nach etwas holprigen Anläufen sehr gut angenommen. Die Kinder kommen früher in die Schule, frühstücken gemeinsam und können sich ein Pausenbrot machen. Sie haben eine gute Basis und kommen ruhiger und gelassener in den Unterricht. Das ist das Feedback, das wir von den Lehrern bekommen. Und das sehen wir als ein gutes Zeichen und werden diese Entwicklung hoffentlich weiter ausbauen können.

Von Mechtild Mader-Bengen und Beatrice Siering