Bild: Stefanie Bessler
Susanna Graf-Nieborg ist seit 2002 als ehrenamtlicher Coach bei NeNA aktiv. Die Betriebswirtin bringt jahrelange Erfahrung in der Personalentwicklung in Deutschland sowie im Ausland mit. Im Interview spricht sie über Grenzen und Möglichkeiten des Coachings.
Das Wichtigste ist, dass es einen Draht zwischen uns gibt. Ich muss meinen Klienten annehmen können in bestimmten Situationen und auch umgekehrt. Mir ist sehr wichtig, dass die Gespräche auf Augenhöhe stattfinden. Der Klient soll nicht das Gefühl haben: Hier sitzt der Coach und sagt mir, wie es geht, und ich dann meinen Rezeptblock zücken. Ich habe kein Patentrezept. Meine Aufgabe als Coach ist es, die Dinge klar anzusprechen. Es ist ja kein Kranker, der vor mir sitzt und den ich heilen muss.
Im schlimmsten Fall muss ich das Coaching abbrechen. Zum Beispiel, wenn der Klient nicht einsieht, dass er sein Verhalten ändern muss. Im Fokus stehen die Ressourcen des Kunden. Diese wieder zu mobilisieren, ist ein harter und anstrengender Prozess, wobei mir Humor, aber auch Klarheit wichtig sind. Auch, wenn ich feststelle, dass ein ernstes seelisches Problem im Hintergrund steht, muss ich das Coaching beenden. Dann darf und will ich nicht weitermachen.
Das kann man so nicht sagen. Coaching erstreckt sich ja durchaus auch auf private Themen. Die Situation, in der sich ein Arbeitsloser befindet, hat sehr häufig mit Privatleben und Beruf zu tun. Wenn ich einen Klienten habe, der einmal alkoholkrank war und wieder ins Berufsleben zurückkehren möchte, muss ich abwägen. Dann kann es sein, dass er stattdessen eine weitere unterstützende Therapie braucht.
Auf alle Fälle. Als Coach braucht man einen kompletten Werkzeugkasten. Man muss viele verschiedene Interventionsmöglichkeiten kennen, um in einer bestimmten Situation die passende einsetzen zu können. Ich habe den Abschluss als systemische Organisationsberaterin und als systemischer Coach sowie einige psychologische Weiterbildungen.
Ja, und ich betreue diesen immer noch. Zunächst ging es um eine allein erziehende Mutter, die ihren Job wechseln wollte, weil sie sich gemobbt fühlte. In das Coaching wurde dann die ganze Familie einbezogen, insbesondere ein Sohn, der aufgrund seiner leichten Lernbehinderung von den Behörden als lernunfähig abgestempelt wurde. Er hatte deshalb keine Chance auf einen Ausbildungsplatz.
Wir haben dann gemeinsam mit Mutter und Sohn daran gearbeitet, dass er diesen ihm aufgedrückten Stempel der Behinderung umgeht. Er hat so nach und nach gelernt, sich zuzutrauen, dass er etwas kann: Zunächst schaffte er den anerkannten Hauptschulabschluss und fing dann eine Ausbildung an. Derzeit macht er gerade seinen Abschluss als Koch an der IHK. Die Mutter ist nach wie vor in ihrem Job und hat gelernt, sich durchzusetzen.
Ja, außer Frage! Dies beweist, wie viel eigene Ressourcen Menschen mobilisieren können, wenn sie es wirklich wollen. Wenn man ihnen den Raum und die Zeit gibt, sich über die eigenen Stärken und Schwächen klar zu werden. Dies ist in der eigenen Familie natürlich schwer, da alle sehr eng miteinander verbunden sind. Mit der Hilfe einer externen Person hat man die Möglichkeit, die Dinge auch einmal aus einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen und dann auch anders anzugehen. Dies macht vieles, das zuerst unvorstellbar schien, möglich.