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Interview mit Klaus Schrage

Viele Verleger haben sich über Jahrzehnte dicke Profite eingefahren und sind wohl auch etwas träge geworden, viele Verlage waren Monopolisten. Nun der Versuch, Online und Print noch mehr zu verbinden. Machen Sie sich Sorgen über den Berufsstand?

Nein, um den Berufsstand mache ich mir gar keine Sorgen. Es wird immer Menschen geben, die diese faszinierende Tätigkeit ausüben wollen. Und die Gesellschaft wird immer Menschen brauchen, die ihnen das Weltgeschehen kompetent schildern und erklären. Guter Journalismus ist unverzichtbar – gerade auch für jede Demokratie. Ob das nun auf Papier oder Online gemacht wird, ist letztlich egal. Entscheidend ist aber, dass Journalistinnen und Journalisten von ihrer Arbeit leben können. Bei vielen Freien ist das schon heute nicht der Fall.

Krisenszenario. Mit der Verbreitung des Fernsehens wurde das Kino für tot erklärt. Jetzt sollen Online-Medien Printmedien verdrängen. Wie sehen Sie als Gewerkschaftsvertreter die Zukunft der Printmedien?

Die gibt es. Die Geschichte zeigt doch, dass Medien zwar Konkurrenz bekommen, aber nie ganz verschwinden. Passiert ist das meines Wissens zuletzt im 19. Jahrhundert beim Ende der Nachrichtenübermittlung durch Brieftauben. Zeitungen werden, weil die Werbeeinnahmen weiterhin zurückgehen dürften, teurer werden. Aber in welcher Verbreitung es sie in zehn Jahren noch gibt, ist nicht vorhersehbar.
 Wenn es, wie im vergangenen Advent, Lieferschwierigkeiten bei Kindle-Lesegeräten gibt, sagt das viel darüber, wie dramatisch sich Lesegewohnheiten gerade verändern. Andererseits: Könnte die gedruckte Zeitung als Genuss-Medium für die Abendstunden eine Renaissance feiern? Indem sie das Geschehen des Tages erklärt, während die reinen Nachrichten über die elektronischen Medien verbreitet worden sind. Optimistisch macht mich zum Beispiel, dass der totgesagte Brief noch immer einen wichtigen Teil zum Geschäftsergebnis der Deutschen Post beiträgt.
 Wie es weitergeht, wird sich zeigen. Journalistische Produkte wird es auf jeden Fall geben. Im günstigen Fall in höherer Qualität als heute.
 

Was müssen die Verleger ändern?

Die Verleger müssen sich wieder mehr auf ihre publizistische Verantwortung besinnen. Medien sind ganz besondere Produkte. Weshalb ja der Gesetzgeber die Verlage vor Einmischung schützt. Sogar vor Einmischung durch ihre Betriebsräte. Dieses Geschäft erfordert also Idealismus, dessen Ausmaß nicht nur vom Geld abhängen darf.
 Tatsächlich war das Verlegen von Zeitungen viele Jahrzehnte lang eine Lizenz zum Gelddrucken. Als ich 1990 Lokalchef im mittelfränkischen Schwabach war, haben sich die Austräger darüber beschwert, dass die Zeitungen zu dick und schwer seien. An Wochenenden haben wir für die 30.000-Einwohner-Stadt samt Umland 36 Lokalseiten produziert.
 Ab 1990 ging es schleichend abwärts, im neuen Jahrtausend wurde endgültig klar, dass das Geld nicht mehr so einfach verdient sein würde. Dieser Markttrend wurde von vielen Verlegern zu lange ignoriert. Man hoffte zu lange, dass es sich um eine vorübergehende Krise handeln würde.
 Sparen war schließlich die wichtigste Gegenstrategie. In zehn Jahren sind in Deutschland 15 Prozent der journalistischen Arbeitsplätze verloren gegangen. Aber der Rotstift allein reicht heute nicht mehr aus. Es muss investiert werden – vor allem in fähige, kluge Köpfe.
 Es gibt unendlich viele gute Geschichten. Aber man muss die Journalisten auch machen lassen und darf ihnen nicht durch immer mehr Routine- oder Zusatzaufgaben die Luft zum (geistigen) Atmen nehmen.
 

Wie kann der investigative Journalismus überleben?

Die Frage klingt ein bisschen so, als wäre Recherche etwas Ungewöhnliches. Tatsächlich ist jeder gute, professionelle Journalismus immer auch investigativ. Und es liegt doch immer auch an den Journalistinnen und Journalisten selbst, wie gut sie ihre Arbeit machen. Für ambitionierte Freie könnten Stiftungen eine Alternative sein. Aber ist der Bedarf so groß? Die Stipendien von Netzwerk Recherche etwa werden meines Wissens nicht komplett genutzt.

Haben Printmedien eine neue Chance durch stärkere Konzentrierung auf lokale, regional-bezogene Themen?

Bestimmt. Aber man muss auch etwas Besonderes aus den Themen machen. Und machen können. Durch die Sparmaßnahmen bei den Verlagen ist die Meinungsvielfalt im lokalen/regionalen Bereich zurückgegangen. Das ist eine Chance für Angebote außerhalb der etablierten Medienunternehmen. Aber wie ein solcher Journalismus finanziert werden kann, ist fraglich. Noch.